Cross-Skating gehört zu den relativ leicht erlernbaren Sportarten. Das bedeutet nicht, dass die uns spezielle Bewegungen dieser Sportart in die Wiege gelegt wurden. Wer experimentierfreudig oder mutig ist tut … [Weiter lesen...] about Cross-Skating bei „Null“ anfangen
Schwere Sehbehinderung und Cross Skating – Teil 1: Die Sehbehinderung und der Weg zum Cross Skating
Hier beginnen wir eine neue Serie von Berichten eines schwer sehbehinderten Cross Skaters, der seine ersten Erfahrungen mit dem Einstieg in diesen so besonderen Sport aus einer ganz anderen „Sichtweise“ schildert. Das beleuchtet den Cross-Skating Sport aus einem ganz anderen Blickwinkel, was aber für viele Einsteiger wie auch für erfahrene Cross Skater interessant sein dürfte.
Wie der Titel schon verrät, werde ich mich hier als Autor der geplanten Serie von Berichten erst einmal vorstellen und kurz beschreiben, wie es zu der Sehbehinderung kam, wie sich diese grundsätzlich darstellt und wie ich den Weg zum Cross Skating und zu Frank gefunden habe.
Ich sehe den ersten Teil prinzipiell als eine Art Vorwort, damit sich jeder interessierte Leser intensiver in meine Situation versetzen kann – daraus aber auch als „Sehender“ sicherlich einiges Nützliche für seinen eigenen Werdegang als angehender Cross-Skater ableiten kann. In späteren Teilen werde ich aber auch auf spezielle Erfahrungen mit der Ausrüstung, welche technischen Pannen ich hatte, wie ich Touren plane und Trainings aufzeichne und viele andere Erfahrungen mit einfließen lassen, die unabhängig von der Sehbehinderung früher oder später jeder Cross-Skater, der ambitioniert in den Sport einsteigen will, höchst wahrscheinlich machen wird.
Jetzt aber zu meiner Person:
Im Allgemeinen höre ich auf den Namen Jörg bin seit gut 20 Jahren glücklich verheiratet und habe zusammen mit meiner Frau (49 Jahre) mit 4 Kinder (3 Jungs 21, 19 und 18 Jahre alt und eine Tochter 12 Jahre) dafür gesorgt, dass auch zukünftige Rentner hoffentlich nicht ganz leer ausgehen und unseren Sport sich auch noch im etwas gestandenem Alter leisten können.
Ich selbst bin 48 Jahre alt und war nach Schulausbildung und Hochschulstudium bis zu meinem 36. Lebensjahr für 10 Jahre ins allseits bekannte Berufsleben integriert und habe als Ingenieur für Verfahrenstechnik für eine weltweit tätige Firma im Raum Westfalen – genauer gesagt in Oelde – Anlagen für die Produktion von Speiseöl und Biodiesel geplant und auch weltweit in Betrieb genommen.Im Jahr 2003 veränderte dann sich so einiges in meinem Leben und stellte mich vor neue Herausforderungen, die ich immer angenommen habe und die meine grundsätzlich positive Lebenseinstellung nicht eintrüben sollten.
Ich war geradezu einer Inbetriebnahme einer Biodieselanlage in Deutschland als Projektleiter angereist, nachdem ich einige Tage aufgrund eines grippalen Infektes außer Gefecht gesetzt war. Nun kamen – wie so oft bei Unfällen – viele sehr unglückliche Umstände zusammen und ich zog mir schwerste Verätzungen beider Augen mit Natriummethylat – eine Lösung aus Natriumhydroxid und Methanol – vergleichbar mit 50%iger Natronlauge – zu. Dies geschah in Bruchteilen von Sekunden und meine Sehkraft trübte sich extrem schnell ein obwohl ich binnen weniger Sekunden sofort die Augen – und Notdusche benutzte und noch auf dem weg dahin einen Kollegen aufforderte direkt einen Notarzt zu alarmieren, der mich direkt in eine nahe gelegene Augenklinik bringen sollte. Es folgten mehrere Notbehandlungen – dann eine Verlegung in die Uniklinik Münster in der Nähe meines Wohnortes und dort ein 6 wöchiger Aufenthalt.
Die schwere der Verletzung war mir unmittelbar bewusst und ich wusste sehr früh, dass ich mit einer vollständigen Erblindung beider Augen rechnen musste. Meine Frau die mir immer zur Seite stand und selbst als Allgemeinmedizinerin und Notärztin tätig ist, klärte mich über das auf , was der eine oder andere Kollege nicht so direkt aussprechen wollte. In der ersten Woche hatte ich noch auf einem Auge einen Sehrest von 10% und auf dem anderen von 40%. Damit kann man sich noch prima orientieren und größere Schrift lesen – also alles halb so schlimm – nein, Verätzungen mit Lauge sind tückisch und zerstören sehr zuverlässig Aminosäuren (sprich Eiweiße) auch wenn es etwas dauern kann. So kam es dann auch bei mir.
Binnen eines Jahres trübte sich die Sehkraft recht schnell ein und ich war so gut wie vollblind. Ich konnte zwar hell und dunkel erkennen aber Fingerzählen vor meinen Augen war nicht möglich und damit war weder an eine Orientierung in der Umgebung noch im unmittelbaren Umfeld in den eigenen vier Wänden zu denken und ich begann direkt nach meinem ersten Krankenhausaufenthalt mit vielen Maßnahmen, die man als Blinder können sollte und muss, um seine Lebensqualität so hoch wie möglich zu halten. Nebenbei wurde ich schnell als 100% erwerbsunfähig eingestuft und entschloss mich recht schnell dazu nicht mehr ins Berufsleben als Blinder einzusteigen, da ich mir sicher war meine Fähigkeiten lieber für meine Familie einzusetzen und meine Frau so gut wie möglich zu unterstützen, damit Sie weiter als Ärztin tätig sein konnte. Ich mutierte also zum Hausmann und hatte anfangs auch gut zu tun all die für Blinde wichtigen Maßnahmen zu erlernen (Umgang mit Blindenstock, Haltung eines Blindenführhundes, Orientierung mit den restlichen Sinnen, sog. lebenspraktische Maßnahmen für Blinde, Erlernen der Blindenschrift, Umgang mit dem PC als blinder ohne Monitor usw.)
Nach gut einem Jahr unterzog ich mich noch einmal einer Operation durch einen sehr spezialisierten Augenarzt in der Uniklinik Düsseldorf – der es fertig brachte mir auf einem Auge wieder etwas Sehrest zurück zuschenken. Dies war mein 2. Geburtstag zumal ich mich mit diesem Sehrest wieder einigermaßen orientieren konnte. Die Jahre gingen dann ins Land, ich war weiterhin immer optimistisch, dass ich meinen Sehrest erhalten oder verbessern kann und ich probierte all das, was man nicht unbedingt als blinder bzw. schwerst Sehbehinderter probieren sollte (dazu später mehr).
Bis zu meinem Unfall war ich sportlich recht aktiv. Schon in der Jugend hatte ich mich für die damals sehr neue und trendige Sportart Windsurfen begeistert, spielte viel Tennis ab und an Fußball, zeitweise Hockey und bin auch auf den damaligen aufkommenden Trend des Mountain-Bikings und des Snowboardens aufgesprungen. Später kam noch Surfen und Kitesurfen dazu Natürlich stand ich als Jugendlicher und heranwachsender Junggeselle damals auch schon auf Langlaufskiern, Schuhen, Rollschuhen und später auch auf Inlineskates – als diese auch in Deutschland erhältlich waren. Auf Skateboards mit oder ohne Segel und Eis-Skatern war ich auch unterwegs aber letztendlich bin ich aktiv bis zu meinem Unfall mehr oder weniger nur beim Windsurfen, Kitesurfen und Tennis geblieben Grundsätzlich war und ich bin ich kein Wettkampftyp sondern habe einfach nur Spaß am Sport und der Bewegung an der frischen Luft und in der Natur.
Nachdem ich nun als schwerst Sehbehinderter ganz gut zurecht kam und ich in dieser Zeit so gut wie keinen Sport getrieben habe wollte ich mich nun wieder daran wagen und das einfachste, was mir einfiel war erst einmal Joggen. Dies kombinierte ich mit meinen Blindenführhund, der mich in einem speziellen Geschirr für das Joggen mit Blindenführhunden auf der Strecke hielt. Je sicherer ich wurde und je besser ich die Strecke kannte ließ ich meinem Hund immer mehr Freilauf zwischendurch und später joggte ich auch alleine und die frische Luft tat mir und meinem Sehrest gut. Leider war joggen mir schon immer zu langweilig und bald bekam ich auch erste Probleme mit den Knien.
Dann kam die Zeit wo der Sehrest ausreichend war evtl. langsam mit einem Fahrrad zu fahren. Das geht am besten mit einem Liegefahrrad als Trike mit 2 Rädern an der Vorderachse und einem hinten. Dies legte ich mir zu und nutzte es lange für Ausfahrten mit meinem Hund wobei ich mich damals nur in bekannter Umgebung bewegte und den öffentlichen Straßenverkehr so weit wie möglich mied. Ich sehnte mich aber immer wieder nach dem Kurvenfeeling beim Surfen oder Kitesurfen und probierte dann ein Waveboard für die Straße aus. Das klappte nach einiger Übungszeit recht gut. Später stellte ich mich dann noch auf ein elektrisches Mountainboard und machte die Gegend unsicher. Selbst eine Wakeboardanlage machte ich nach Rücksprache mit dem Betreiber an ruhigen Tagen unsicher bis ich unsanft stürzte und mir trotz Prallschutz-Weste eine vermutete Rippenbrellung Zuzog, die mich für länger außer Gefecht setzte und sich erst Jahre Später bei einer Untersuchung im Rahmen einer Nierenkolik als Nierenanriss herausstellte, der allerdings unbehandelt verheilte.
Leider begann dann wieder eine Zeit in der sich mein zwischenzeitlich verbesserter Sehrest deutlich eintrübte und ich mich gerade noch so im heimischen Haus orientieren konnte. Dies war eine schwierige Zeit schränkte mich in meiner Mobilität stark ein und ich achtete immer weniger auf Fitness zu Hause und meinen Körper und legte gut zu. Als ich dann mit 1,77m die 100 kg Marke überschritten hatte zog ich von einem Tag zum anderen einen Schlussstrich und setzte mir das Ziel innerhalb eines halben Jahres wieder in meinen Hochzeitsanzug zu passen. Dies verfolgte ich damals auf einem sicherlich nicht so gesunden Weg mit einer Diät, kombiniert mit Crosstrainer- und Vibrationsplatten-Training im eigenen Haus und meinem nicht besonders geliebten Joggen (dies begann ich aber dies mal sehr langsam und erst nachdem die ersten 10 kg weg waren). Letztendlich erreichte ich das Ziel und hatte an die 30 kg abgenommen und meinen Fettgehalt massiv von 33% auf 16% gesenkt. In dieser Zeit stellte ich dann aber auch schrittweise meine Ernährung deutlich um und dies habe ich bis heute beibehalten auch wenn momentan etwas mehr Gewicht auf der Waage steht. Einen Jojo-Effekt habe ich so konsequent vermieden.
Der Sehrest verbesserte sich zeitweise wieder etwas auf ca. 5% brach aber plötzlich wieder aus mir unbekannten Gründen auf unter 2% ein und damit war es wieder vorbei mit Outdoor-Aktivitäten. Gleichzeitig nahm meine Frau einen Job als Schiffsärztin bei einer großen deutschen Reederei an – Natürlich war dies eine gemeinsame Entscheidung und so war es für mich umso wichtiger meinen Sehrest zu verbessern, zumal meine 3 Jungs schon eine Lehre begonnen hatten und nicht mehr zu Hause wohnten und meine kleine Tochter in der Woche im Internat ihre schulische Ausbildung fortsetzte.
Nachdem ich mich lange über eventuelle Möglichkeiten einer künstlichen Hornhaut-Prothese für das rechte komplett blinde Auge informiert hatte wagte ich dieses Vorhaben zumal sich die Medizin in den letzten 10 Jahren auf diesem Gebiet verbessert hatte, auch wenn eine recht geringe Chance für eine langfristige Wiederherstellung einer Teilsehfähigkeit auf diesem Auge sehr gering war. Die OP war grundsätzlich gut verlaufen und ich konnte dann zeitweise für ca. 1-2 Monate auf dem rechten Auge ca. 30% sehen, was für mich unvorstellbar war und ich genoss es Farben wieder real zu sehen und konnte so erstmalig meine Kinder und meine Frau nach ca. 10 Jahren wieder erkennen. Dies war schon faszinierend, zumal ich insbesondere meine Tochter das letzte mal so richtig mit ca. 1 Jahr gesehen hatte und dies war schon fast 10 Jahre her. Über mein eigenes Spiegelbild war ich schon etwas erschrocken, denn in den letzten 10 Jahren ist das Alter wohl nicht ganz an mir vorüber gezogen und ich war schon deutlich ergraut.
Leider war dies nur ein kurzer Moment des Sehens und die Prothese wurde wieder von Bindehaut überwachsen.. Einige Zeit später wagte ich dann noch eine Hornhaut-Prothese mit der Transplantation von speziellen Stammzellen von einem Spender, zum einen als Ersatz für die künstliche Prothese, die entfernt werden musste und dem anderen ein mehr oder minder auch wenig Erfolg versprechender Versuch, die Sehfähigkeit noch einmal auf ein höheres Niveau zu schrauben. Auch diese OP war anfangs erfolgreich und der Sehrest konnte auf ca. 25% gesteigert werden und bliebt mir auch ca. 5-6 Monate erhalten. In dieser Zeit musste ich starke Immunsuppressiva einnehmen , um eine Abstossungsreaktion einzugrenzen und das belastet den Körper recht stark. Ich achtete weiterhin besonders auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Vitaminen und Mineralstoffen. Nach 6 Monaten wurde die Spenderhornhaut aber dann doch abgestoßen und mit Bindehaut überlagert, so dass dieses Auge wieder komplett erblindete. Aus welchen Gründen auch immer verbesserte sich allerdings gleichzeitig wieder der Sehrest auf dem linken Auge und regelte sich wieder auf ein einigermaßen für mich akzeptables Maß ein. Das hat sich bis heute nicht geändert und damit soll dieses sehr persönliche Kapitel zu meiner groben Krankheitsgeschichte der Augen abgeschlossen sein. In den späteren Folgen werde ich immer mal wieder kurz wenn es um das eigentliche Thema des Cross-Skatens und meinen Erfahrungen geht darauf hinweisen, wie ich die Umgebung wahrnehme.
Wir befinden uns jetzt im Juli 2014 und ich entschloss mich noch einmal mit dem Joggen zu beginnen, um ein paar angesetzte Pfunde wieder abzutrainieren. Nach ca. 2 Wochen Training war es dann mal wieder soweit und ich bekam erneut Probleme mit den Knien und stellte das Training sofort ein. Wahrscheinlich etwas spät und so humpelte ich so vor mich dahin.
Jetzt begann ich aktiv im Internet zu recherchieren, welche Alternativen es geben würde, die nicht so gelenkintensiv sind und wo ich mich auch an der frischen Luft bewegen kann. Walking hatte ich erst einmal ausgeschlossen, da ich mir das auch nicht als besonders interessant vorstellen konnte. Nun ja, so bin ich recht schnell auf Cross -Skating gestoßen und ich erinnerte mich davon schon einmal vor einigen Jahren, als ich auf der Suche nach neuen Trendsportarten war, darüber etwas gelesen zu haben.
So stieß ich recht schnell auf den Cross-Skate-Shop und das Cross-Skate Magazin und auf die dafür verantwortliche Person Frank Röder, nachdem ich mich vorab ausführlich auf den verschiedenen Themenseiten umgesehen hatte. Beim meinen Recherchen ging es mir vorerst darum abzuschätzen, ob ich mit meinem Sehrrest überhaupt diesen Sport wohl einigermaßen sinnvoll bestreiten kann. Hierfür war für mich vor allem erst einmal wichtig, in welchem Geschwindigkeitsbereich sich dies alles abspielen würde, denn mir war klar, dass alles über ca. 13 km/h zu gefährlich sein würde, da ich Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer bei nicht für mich optimalen Sichtverhältnissen zu spät erkennen würde. Außerdem war es wichtig herauszufinden, ob und wie schnell man auf plötzlich vor mir auftauchenden Hindernissen durch z.B. Bremsen oder Ausweichen reagieren könnte. Eine Vorstellung davon bekam ich durch zahlreiche Artikel hier im Magazin, aber letztendlich konnte ich dies natürlich ohne je gefahren zu sein auch nicht wirklich abschätzen und dann stand natürlich auch die Frage aus, welches Material für meine spezielle Situation überhaupt in Frage kommen würde.
Im nächsten Teil gehe ich dann genauer auf die Kontaktaufnahme zu Frank, die Beratung und letztendlich auf meine Ausrüstung näher ein und welche Argumente in meinem speziellen Fall zu der gewählten Auswahl geführt haben.
Weiter geht dann demnächst in: Schwere Sehbehinderung und Cross Skating – Teil 2 (Artikel 308)